Nach diesen kristallographischen Vorbemerkungen kommen wir zur Physik. Wir gehen zunächst auf die quantenmechanischen Zustände von Elektronen im Kristall ein. Der Hamilton-Operator eines Elektrons hat die Form
(1.4) H = p2 / 2m0 + U(r)
Hierbei sind p und r der Impuls- bzw. Ortsvektor des Elektrons (Operatoren), m0 dessen Ruhmasse. Die beiden Terme von H bedeuten die kinetische bzw. potentielle Energie des Elektrons. U(r) (im folgenden kurz Potential genannt) enthält elektronische Beiträge und Beiträge der Atomkerne.
Wir interessieren uns für die Lösung der entsprechenden Schrödinger-Gleichung
(1.5) Hy = Ey
(E, y Energieeigenwerte bzw. - eigenzustände).
Die Beschreibung mit Hilfe von Gl. (1.4) und (1.5) beinhaltet die so genannte Einelektronennäherung.
Wichtige Konsequenzen hat die Tatsache, dass das Potential U gegenüber einer Verschiebung um Gittervektoren Rn (vgl.Gl. (1.1))invariant ist,
(1.6) U(r + Rn) = U(r)
(Translationssymmetrie bzw. Gitterperiodizität). Gl. (1.6) bedeutet, dass das Elektron an äquivalenten Punkten (+ in Fig. 1.1) das gleiche Potential spürt, was auf Grund der gleichen umgebenden Atomkonfiguration anschaulich klar ist.
Diese Eigenschaft überträgt sich auf den gesamten Hamilton-Operator:
(1.7) H(r + Rn) = H(r)
Aus Gl. (1.7) folgt durch einfache Überlegungen, dass die Wellenfunktionen y(r) die Form von Bloch-Funktionen (Bloch-Zuständen, Bloch-Wellen) haben:
(1.8) ykn (r) = exp(ikr) ukn(r)
k und n bezeichnet man als Ausbreitungsvektor bzw. Bandindex. ukn (r) ist der so genannte Bloch-Faktor, der gitterperiodisch ist:
(1.9) ukn(r + Rn) = ukn(r)
Die Energieeigenwerte E hängen natürlich ebenfalls von den Größen k und n ab. Man schreibt
E = En(k)
Variiert k bei festem n, so überstreicht En(k) einen bestimmten Bereich: Das Energiespektrum hat Bandcharakter. Die Bänder werden durch den Index n nummeriert.
Die Bloch-Zustände yk
n(r) nach Gl. (1.8) haben
einerseits auf Grund des Faktors exp(ikr)
Wellencharakter (Wellenlänge 2p / |k|);
andererseits haben sie auf Grund der Eigenschaften der Bloch-Faktoren ukn (r)
im Bereich der Atomrümpfe den (stark oszillatorischen) Charakter
von Atomzuständen. Das veranschaulichen wir (nach [1]) in .
Hier sind die entsprechenden Funktionen (Realteile) längs einer Geraden dargestellt, die durch eine Reihe von gleichartigen Atomen geht. In Fig.1.2 kommt zum Ausdruck , dass die Bewegung von Elektronen im Kristall nur wenig Ähnlichkeit mit einer freien Bewegung (quantenmechanisch durch ebene Wellen beschrieben) besitzt. Die starken Kräfte, die von den Atomen ausgehen, haben dramatische Auswirkungen auf das Verhalten im Atombereich.
Die Abhängigkeit der Lösungen vom (dreidimensionalen) Vektor k ist periodisch bezüglich der Vektoren des reziproken Gitters G (der Index m wird hier weggelassen):
yk + G,n(r) = ykn (r)
En(k +G) = En(k)
Man beachte, dass sowohl k als auch G (letzteres nach den Definitionen Gl. (1.2) und (1.3)) die Dimension einer reziproken Länge haben.
Auf Grund dieser Tatsache kann man sich bei der Diskussion der k
-Abhängigkeiten auf einen kleinen Teilbereich des k-Raumes
(d. h. eine Art Elementarzelle des reziproken Gitters) beschränken. Man wählt
diesen Bereich symmetrisch um den Punkt k = 0 und
bezeichnet ihn als (erste) Brillouin-Zone.
zeigt die Brillouin-Zone für das kubisch flächenzentrierte (fcc)
Gitter (Gitter für wichtige Kristallstrukturen, z.B. Diamant-, Zinkblende- und
Steinsalzstruktur).
Die relevanten Punkte des reziproken Gitters (das in diesem Fall vom kubisch raumzentrierten (bcc) Typ ist) sind durch l gekennzeichnet; der Punkt G entspricht k = 0. Die Brillouin-Zone (rot dargestellt) ist hier ein "abgestumpftes Oktaeder". Diese Form der Brillouin-Zone ergibt sich aus dem folgenden allgemeinen Konstruktionsprinzip:
Man ziehe vom Punkt k = 0 Geraden zu allen anderen Punkten des reziproken Gitters und errichte in den Mittelpunkten dieser Geradenstücke Ebenen, die senkrecht auf der betreffenden Geraden stehen. Die Brillouin-Zone ist das kleinste Volumen, das von solchen Ebenen begrenzt wird und k = 0 enthält.
Die Brillouin-Zone in Fig.1.3 ist offensichlich von zwei Typen von Ebenen begrenzt: Die Sechsecke resultieren aus der Halbierung der Geraden zu den Würfelecken; die Quadrate rühren von den Geraden her, die k = 0 mit den Mittelpunkten der Nachbarwürfel verbinden.